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The Reflection Club – Zurück in die Zukunft (2021/03)

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The Reflection Club – Zurück in die Zukunft

Mit STILL THICK AS A BRICK wandeln Lutz Meinert und seine Band The Reflection Club auf den Spuren der berühmtesten Jethro-Tull-Scheibe.

Am besten lässt man den Urheber selbst erzählen, was ihn dazu bewogen hat, mit seiner Band The Reflection Club das Alubm STILL THICK AS A BRICK als Hommage an den fast namensgleichen Prog-Rock-Klassiker aus dem Jahr 1972 zu veröffentlichen. „THICK AS A BRICK spielt in meinem Leben eine ganz besondere Rolle“, erklärt Muliinstrumentalist Lutz Meinert. „Bis zu meinem 13. Lebensjahr hatte Musik für mich nur eine nebensächliche Bedeutung, als nette Hintergrundberieselung bei Hausaufgaben oder Zimmeraufräumen. Mein Interesse beschränkte sich auf Hitpraradensendungen im Radio mit Songs von T. Rex, Deep Purple, Alice Cooper, Tony Christie, Don Mclean, Slade oder Led Zeppelin, die ich auf Kassette aufnahm. Irgendwann hörte ich THICK AS A BRICK von der mir damals noch unbekannten Band Jethro Tull. Mit diesem Album explodierte meine Musikleidenschaft. Ich besorgte mir alle älteren Tull-Werke und entdeckte die wunderbare Welt von Pink Floyd, Genesis, Yes, King Crimson, Focus und Camel. Dank THICK AS A BRICK ist Musik bis heute mein fester Lebensmittelpunkt.“
2017 entstand die Idee einer Scheibe, die sich am Tull-Klassiker orientiert, aber dennoch neue, eigene Songs beinhaltet. Für Meinert eine echte Herausforderung. Eine weitere: Der geeignete Sänger mit dem Timbre von Tull-Frontmann Ian Anderson musste gefunden werden. Im Internet entdeckte Meinert ein Video von Paul Forrest, dem Frontmann der Coverbands Jethro Tull Experience und Dayglo Pirates. Meinert: „Paul singt so unglaublich authentisch und spielt so gut Querflöte, dass man bei geschlossenen Augen glaubt, den jungen Ian Anderson zu hören. Dass er dabei auch noch Akustikgitarre beherrscht, ist ein zusätzlicher Gewinn für unser Album.“
Natürlich versteht sich STILL THICK AS A BRICK als Hommage, nicht als eine reine Reproduktion. Aber, so Meinert: „ Ich habe die typischen Stilmittel von Jethro Tull aufgegriffen, das Gegenüberstellen von ruhigen akustischen und schnellen, rockigen Parts, mit Breaks, Takt- und Tempowechseln, auskomponierten Passagen, Soloeinlagen und Melodieläufen. Größtenteils gibt es auch die gleiche Instrumentierung mit Bass, Schlagzeug, E- und Akustikgitarre, Hammond Orgel, Flügel und natürlich Querflöte, allerdings auch mit Glockenspiel, Cembalo und Streicher“. Und damit die Scheibe nicht zum reinen Plagiat verkommt, haben The Reflection Club auf konkrete Zitate zur berühmten Vorlage verzichtet. Meinert: „Zudem gibt es Passagen, die nicht unbedingt typisch für Jethro Tull sind, aber dennoch in unseren Gesamtsound passen, also Fusion- und Jazz-Parts mit Instrumenten wie Tablas, Sitar oder Dudelsack“.

Matthias Mineur (03/2021)
  

Eclipsed - Immer noch dumm wie Bohnenstroh!

eclipsed Magazin (Deutschland)

Immer noch dumm wie Bohnenstroh!

Reflection Club liefern eine Art Fortsetzung des Meisterwerks von Ian Anderson

„Thick As A Brick“ (1972) von Jethro Tull gehört zu den großen Konzeptalben des Progressive Rock, inspiriert und fasziniert mit seinem eleganten Mix aus Klassik-, Folk- und Jazz-Tönen sowie der hochintelligenten Story, garniert mit der erfundenen Kleinstadt-Zeitung „St. Cleve Chronicle“, bis heute. So hat Schöpfer Ian Anderson 2012 auch mit „Thick As A Brick 2“ ein Sequel zum Erfolgsalbum kredenzt. Ein Projekt, zusammen gestellt aus Crystal-Palace, Margin- und Jethro-Tull-Experience-Musikern, erweist dem Original nun mit einem Pastiche ebenfalls die Ehre, dockt in Stil und Sound hieran perfekt an und überzeugt dennoch durch eigenständige Songs und Story einen transparent-organischen Klang und eine exquisite mulimediale Aufmachung mitsamt kompletter Musikmagazin-Beilage. Multiinstrumentalist und Komponist Lutz Meinert, Sänger und Akustikgitarrist Paul Forrest sowie Flötistin Ulla Harmuth geben Auskunft.

eclipsed: Wie kam es zur „Thick As A Brick“-Hommage, und wie habt ihr als Bandprojekt zusammengefunden?

Lutz Meinert: Erst durch „Thick As A Brick 2“ brachte Ian Anderson mich auf die Idee, eine alternative eigene Fortführung zu schreiben.

Paul Forrest: Lutz kontaktierte mich und sagte, er wolle einen Ian Anderson von 1972 mit Gesang, Akustikgitarre und etwas Flöte.

Ulla Harmuth: Als klassisch ausgebildete Flötistin mit Ausflügen in Jazz, Folk und Pop reizte mich diese ganz andere Musikrichtung sehr.

eclipsed: Welchen Stellenwert hat „TAAB“ für euch, dass ihr euch gleich einem eigenständigen Sequel verschrieben habt?

Meinert: „TAAB“ war für mich definitiv die Einstiegsdroge in die wunderbare Welt des Progressive-, Hard-, Psychedelic-, Jazz-, Folk- und Bluesrock und dafür verantwortlich, dass Musik zu meinem Lebensmittelpunkt wurde. Darüber hinaus halte ich es für das originellste Konzeptalbum, das je veröffentlicht wurde.

Forrest: Mit Jehtro Tull habe ich meine Stimme gefunden. Ians Stimme passte perfekt zu meinem Tonumfang, und ich habe auch ein ähnliches Timbre wie er.

eclipsed: Wofür steht der Bandnahme „Reflection Club“?

Meinert: „Reflection“ bedeutet im Englischen „Rückschau“ oder „Widerspiegelung“. Das passt perfekt zum Hommage-Charakter unseres Debüts. Und der „Club“ versprüht einen englischen, elitären und snobistischen Charme – wie unsere leicht größenwahnsinnige Produktion.

eclipsed: Was war euer Konzept?

Meinert: Das Feeling des Progrock-getränkten typischen Jethro-Tull-Sounds jener Zeit einzufangen, aber auf Grundlage einer komplett neuen, eigenständigen Komposition mit frischen, unverbrauchten Melodien und Themen!

eclipsed: Statt des Wunderkinds Gerald Bostock habt ihr den Finanzmogul George Boston kreiert. Eine kapitalismuskritische Storyline?

Meinert: Ein Mann steht auf dem Höhepunkt seiner beruflichen Karriere am Scheideweg und lässt sein Leben kritisch Revue passieren, schaut dabei auch auf manch zweifelhafte Praktiken in der Finanzwelt zurück. Die Stroyline beginnt mit seinen Erinnerungen als Student in der Kleinstadt Rellington und endet mit dem Burn-out. Liest man das beiliegende „Rellington Stone“-Magazin, erfährt man, dass es sich bei ihm um den Finanzmogul George Boston handelt und bekommt einen Einblick in seine Biografie und die Geschichte Rellingtons.

eclipsed: Man merkt eurer Umsetzung an, dass ihr euch tatsächlich an dem ganz speziellen „TAAB“-Sound orientiert habt …

Meinert: Ja, kompositorisch häufige Wechsel zwischen ruhigen, akustischen und kraftvollen, rockigen Teilen mit E-Gitarre und angezerrter Orgel, Breaks, komplexe durchkomponierte Abschnitte und Soloparts. Natürlich habe ich auch Instrumente hinzugenommen, die auf dem Original auffällig vertreten waren wie Spinett, Glockenspiel und Streicher. Kontrabass, Tablas, Sitar, Vibrafon und Dudelsäcke gaben dem Ganzen dann noch eine eigene Note.

Forrest: Ich musste wirklich hart arbeiten, um genau wie Ian anno 1972 zu klingen.

Harmuth: Das ist noch untertrieben. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich manche Flötenparts am Schluss so hinbekommen habe.

eclipsed: Hat der Reflection Club auch eine Zukunft?

Meinert: Erst ging es nur um die Realisierung von „STAAB“. Doch inzwischen mache ich mir Gedanken um einen möglichen Nachfolger.

Walter Sehrer (04/2021)



Hommage as a brick - Interview in IO Pages (06/2021)

IO Pages (Niederlande)

Hommage as a brick

Der deutsche Multiinstrumentalist Lutz Meinert ist ein großer Fan Jethro Tull. Mit seiner Band Reflection Club zollt er dem legendären Album Still Thick As A Brick einen eindrucksvollen Tribut. Das Ergebnis ist beeindruckend und klingt fast mehr nach Tull als nach Tull selbst.

Das ist eine längere Geschichte, denn um die Beweggründe zu verstehen, muss ich verdeutlichen, warum das Album Thick As A Brick (folgend: TAAB) von Jethro Tull in meinem Leben so eine besondere Rolle spielt. Im Frühjahr 1972 war ich 13 Jahre alt und Musik war für mich nur eine nette Nebensache, der ideale Background bei langweiligen Schularbeiten oder beim Aufräumen des Zimmers. Dafür hatte ich mir aus dem Radio von Hitparadensendungen einige Songs auf eine Musikkassette aufgenommen. irgendwann landete auch der Song TAAB als Singleauskopplung von dem gleichnamigen Alben der mir damals völlig unbekannten Band namens Jethro Tull darauf. Und dieser Song stach mehr und aus all den anderen Songs heraus, je öfter ich die Kassette abspielte. Ich weiß nicht, was mich an diesem Song so faszinierte, der Gesang, die Flöte, das ungewöhnliche Arrangement? Jedenfalls war ich irgendwann so begeistert, dass ich mir meine erste LP kaufte: TAAB von Jethro Tull. Allerdings hielt sich meine Freude darüber beim ersten Hören noch in Grenzen, denn mir gefielen nur wenige Parts auf dem Album. Aber nach und nach bekam ich den Zugang zu der Musik darauf, die mir nun immer besser gefiel. Am Schluß war ich total begeistert und kaufte mir alle früheren Alben von Jethro Tull. Aber dann auch schon bald LPs von anderen Bands, denn meine allenfalls zuvor latent vorhandene Musikbegeisterung war mit TAAB überhaupt erst entfacht worden. So tauchte ich tief in die Welt der Rockmusik ein, insbesondere in den Progressive Rock, Hard Rock, Folk Rock, Jazz Rock und Psychedelic Rock, all die interessanten Musikrichtungen, die mich noch heute faszinieren und die auch mehr oder weniger auf unserem Debüt zu hören sind. Musik war ab da zu meinen Lebensmittelpunkt geworden. Und der Auslöser von allem war TAAB gewesen, was auch letztlich dazu führte selbst einmal Musik zu machen.
Nun wird vielleicht verständlich, warum ich so unglaublich neugierig war, als 40 Jahre später der Nachfolger TAAB 2 erschien, zwar nicht von Jethro Tull sondern von Ian Anderson, der aber als Sänger, Flötist, Akustikgitarrist und nahezu alleiniger Komponist stets der Kopf von Jethro Tull war.
Natürlich kaufte ich das Album sofort und erwartete ein weiteres komplexes Prog-Albumstück, vielleicht in zwei Teilen, aber es war eher songorientierter angelegt. Vor TAAB2 hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, eine eigene Fortsetzung von Thick as a Brick zu produzieren, aber jetzt, nachdem mir TAAB2 ein paar Wochen lang durch den Kopf gegangen waren, hatte ich mir endlich gedacht: Was hätte ich mit dieser Fortsetzung gemacht? Und plötzlich sprudelten die Ideen nur so in meinem Kopf. Ich ging sofort ins Studio, um sie zu notieren. Damit war der Grundstein für "Still Thick as a Brick" (folgend: STAAB) gelegt.
Allerdings steckte ich zu dieser Zeit mitten in der Arbeit am Album Psychedelic Teatime meines anderen Psychedelic-Prog-Projektes Margin, das auch eine große Herzensangelegenheit von mir war. Und dieses Album wollte ich erst einmal fertigstellen, bevor ich etwas Neues begann. Danach hatte ich dann den Kopf frei, um mich irgendwann ganz Still Thick As A Brick zu widmen."

QUERFLÖTE

Erzähl mir etwas über die Mitglieder der Band; wie kamst du auf Paul Forrest, dessen Stimme sehr dem jungen Ian Anderson ähnelt?

Die Aufnahmen waren am Schluss schon ziemlich perfekt und zeigten bereits im allerersten Mix schon viel von dem Spirit, den ich mit TAAB verband. Nun fehlte nur noch der passende Gesang dazu, der das Ganze vollendet. Doch als ich alle möglichen Sänger in der Rockszene durchging, die ich kannte, merkte ich erst, wie schwierig es ist, einen Sänger zu finden, der das Timbre des jungen Ian Anderson hat. Mir fiel kein Einziger ein, der auch nur ansatzweise solch eine Qualität aufwies. Schließlich suchte ich das Internet nach Jethro Tull Coverbands ab. Nach mehreren, nicht gerade beeindruckenden Videos, stieß ich auf die Dayglo Pirates und deren Sänger, Akustik-Gitarrist und Flötist Paul Forrest, die sehr gut Jethro Tull coverten. Als ich dann noch ein Video sah, bei dem Paul zusammen mit Jethro Tull als Gast auftrat und dabei so großartig sang und Flöte spielte, dass man mit geschlossen Augen denken konnte, es wäre wirklich der junge Ian Anderson., war für mich klar: Paul Forrest ist der ideale Sänger für STAAB! Über die Website der Dayglo Pirates konnte ich deren Bassisten Steve Harrison kontaktieren. Er war so freundlich, für mich den Kontakt zu Paul Forrest herzustellen. Als Paul das Demo von STAAB hörte, war er begeistert und damit Clubmitglied. Übrigens spielt er auf dem Album auch alle Akustikgitarren und Querflöte auf einem Part, was ein weiterer Glücksfall für das Album ist.

Nils stand dagegen von vornherein für mich als E-Gitarrist fest. Ich habe mit ihm bereits vor über 20 Jahren in der Progressive-Rock- Band For Your Pleasue Ende gespielt und schon damals sein Können bewundert. Und in all den Jahren ist er noch besser geworden. Darum wusste ich, dass er einerseits die Rockgitarre eines Martin Barre aber auch ebenso virtuos eine Fusion-Gitarre meistern würde, die ja auch auf STAAB zu hören ist.

Wie ich auf Ulla gekommen bin, ist eine wirklich kuriose Geschichte. Mit einem guten Freund, der als einer von ganz wenigen Personen von Anfang an bei diesem Projekt mit einbezogen war, überlegte ich, wer gut geeignet wäre, die Querflöte auf dem Album zu spielen. Zufällig stand dabei seine Frau im Zimmer und meinte beiläufig: „Ich könnte es ja mal probieren.“ Erst da erinnerte ich mich, dass Ulla mal vor Jahren bei einem Auftritt mit ihrem Chor, bei dem sie als Sängerin auftrat, bei einen Song auch Querflöte spielte. Das war aber damals eine typisch klassische, sauber intonierte Querflöte gewesen. Dagegen ist das sehr spezielle höchst virtuose Flötenspiel eines Ian Anderson, dem berühmtesten Flötenspieler der Rockgeschichte, ia eine ganz andere Hausnummer. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, dass Ulla solch einer Aufgabe gewachsen war. Ich lud sie aber dennoch aus Höflichkeit in mein Studio ein und nahm mit ihr die Flötenpassagen der ersten beiden Teile von STAAB auf.
Überraschender Weise machte sie das recht gut. Ein Ian Anderson hätte das wohl in wenigen Takes aufgenommen und Ulla brauchte deutlich mehr dafür, aber am Schluss klang es perfekt. Die sanften, eher klassisch angelegten Flötenpassagen gelangen ihr mehr oder weniger auf Anhieb. Bei den rockigen Flötenparts hatte sie dagegen anfangs große Schwierigkeiten, denn bei ihrem bisherigen, klassisch angelegten Spiel war sie gewohnt, die Querflöte mit einem reinen Ton zu spielen. Im Rock und Jazz und gerade bei Ian Anderson ist dagegen bei den kraftvollen Parts ein geräuschvolles Spiel mit Überblasen angesagt. Ulla sollte Ian Andersons Stil in dieser Hinsicht nicht komplett imitieren, es durfte nicht wie ein Plagiat klingen, bei dem genauso in die Flöte gebrummt, gesummt und gegrunzt wird, wie man es vom großen Meister kennt. So etwas kann dann leicht zur unfreiwilligen Parodie werden. Aber in den rockigen Passagen sollte ihr Spiel deutlich rauher und dreckiger klingen. Sie brauchte einige Zeit, um hier ihre klassische Ausbildung über Bord zu werfen und zu lernen, die Töne geräuschvoll und unrein in die Flöte zu stoßen und ganz bewusst zu überblasen. Aber auch das klappte mit der Zeit recht gut. So spielte sie nach und nach alle Flötenparts ein.
Als allerdings Paul später den Gesang aufnahm, mussten ich nachträglich „Time Out“ um einen Halbton erhöhen und die Übergänge anpassen, weil dieser Part auf dem Album für seine Stimme etwas zu tief war. So transponierte ich ihn um einen Halbton nach oben und passte die Übergänge an. Dafür mussten aber die Instrumente neu eingespielt werden. Deshalb bot Paul an, neben der Akustikgitarre auch gleich noch die Flöte mit aufzunehmen. Es ist schon ein Luxus, dass beim Reflection Club gleich zwei exzellente Flötisten spielen.

ANALOGIE

Hast du dich eng an den Aufbau und die Struktur des Originals gehalten?

An die dramaturgische Struktur des Originals, also wann welche Parts, in welcher Spielweise und wie lange auf einander folgen, habe ich mich gar nicht gehalten, daran habe ich beim Komponieren auch gar nicht gedacht. Die einzige Parallele - vom Orchester-Intro, das bei TAAB gar nicht existiert einmal abgesehen - besteht nur darin, dass das Album mit dem gleichen ruhigen Gesangspart, der nur von einer Akustikgitarre begleitet wird, beginnt und endet. Das war natürlich ganz bewusst so angelegt. Schließlich ist ja unser Album eine Hommage an TAAB. Deshalb habe ich natürlich auch Stilelemente von Jethro Tull beim Arrangement und der Instrumentierung übernommen. Neben der präsenten Querflöte und dem Wechselspiel von akustischer und elektrischer Gitarre spielen auch Instrumente, die darüber hinaus auf TAAB zu hören waren, wie Glockenspiel und Cembalo, mit. Allerdings wollte ich unbedingt vermeiden, dass unser Album nicht wie ein Aufguss der Vorlage klingt. Ich finde es nicht originell, wenn Bands die Songs oder Parts ihrer Vorbilder mit einer etwas anderen Melodieführung geringfügig abändern und als eigene neue Songs verkaufen. Aber es gibt sicherlich viele Fans, die sich daran erfreuen, all die einzelnen Zitate ihrer Helden darin zu entdecken. Darauf verzichte ich gerne.
Stattdessen wollte ich, dass unser Album zwar die Atmosphäre einer bislang unbekannten, verschollenen Jethro-Tull-LP versprüht, aber dabei gleichzeitig frisch und neu mit unverbrauchten Melodien und Einfällen klingt. Und ich denke, dieses Kunststück ist uns gelungen. Allerdings habe ich dafür auch Passagen eingeführt, die Jethro Tull wohl so nie gespielt hätten, die aber dennoch stimmig zu Album passen. So sind darauf zum Beispiel auch Jazz und Fusion-Abschnitte zu finden, aber auch Tablas und Sitar, die perfekt zur Hippy-Phase von Rellington unterstreichen. Es hat mir auch viel Spaß gemacht, „im Stil der alten Meister“ zu komponieren, was ja zuweilen auch in der Klassischen Musik geschieht, wie zum Beispiel beim großartigen Carmina Burana von Carl Orff. Etwas Ähnliches hatte ich auch bei Margin gemacht, wenn auch mit etwas anderen musikalischen Vorzeichen gemacht. Da standen dann eher Pink Floyd Pate.

RELLINGTON STONE

Wie kamt Ihr auf die Verpackung, das Rellington Stone Magazin, in der das Album präsentiert wird ?

Als ich das Konzept für STAAB entwarf, bei dem der Songtext in Beziehung zu einem Zeitungsartikel steht, war für mich klar, dass das Cover des Albums entsprechend gestaltet werden musste, wie es sich für ein gutes Konzeptalbum gehört. Außerdem unterstreicht dies wunderbar den Hommage-Charakter unseres Albums.
Beim Rellington Stone handelt es sich nicht um eine Kleinstadtzeitung wie dem Cleve Chronicle & Linwell Advertiser bei TAAB, sondern um ein kleinstädtisches Musik- und Kulturmagazin in Zeitungsform, das bereits seit Mitte der 70er Jahre besteht. Es ist leider seit längerem in eine finanzielle Schieflage geraten. In dieser Situation hat Robin Meynard, der Chef des Plattenlabels Madvedge Record, seine Unterstützung angeboten. Übrigens kenne ich Robin recht gut, ein wirklich netter Typ. Er bot an, der März-Ausgabe 2021 des Rellington Stone das Debütalbum vom Reflection Club komplett und kostenlos als CD beizulegen. Natürlich hat er sich zuvor unsere Zustimmung eingeholt. Das war aber für uns selbstverständlich, denn wir lieben alle den Rellington Stone und es wäre wirklich sehr traurig, wenn diese tolle, legendäre Musikzeitung nach all den Jahren aufgeben müsste. Es ist teuer, ein Album in einem solchen Format zu veröffentlichen, aber STAAB ist halt ein typisches Konzeptalbum, bei dem erst alle Teile zusammen den vollen Werkcharakter ergeben. Und dazu gehören neben der Musik auf CD auch das komplette Rellington-Stone-Magazin und das Album-Video mit Surround-Mix. Deshalb ist auch das Vinyl mit allem ausgestattet und darum wird es auch vorerst keine schlichte CD-Ausgabe geben, weil dann einfach einige Aspekte fehlen würden, die das Ganze ausmachen. Wer im Rellington Stone schmöckert, wird einiges über die Stadt Rellington erfahren und somit einen noch besseren Eindruck von Part 4 - Rellington Town erhalten.
Allerdings könnten wir irgendwann aus finanziellen Gründen gezwungen sein, nur noch eine einfache CD-Ausgabe anzubieten. Aber vielleicht verkauft sich das Album auch blendend und wir müssen uns darüber keine Gedanken machen.

GEORGE BOSTON

Wer ist George Boston?

George Bosten - dessen Name natürlich nur rein zufällig an Gerald Bostock erinnert, und der im Gegensatz zu jenem tatsächlich existiert – studierte in der Nähe von Rellington in den frühen 70er Jahren Wirtschaftswissenschaft. Zuerst war er als Kulturveranstalter in der alternativen Kulturszene von Rellington tätig. In dieser Zeit lernte ich ihn auch kennen und wir freundeten uns an. Dann schlug George eine andere berufliche Richtung ein und startete eine erstaunliche berufliche Karriere im Bankensektor bis hin zum Finanzmogul. Aber da hatte ich ihn bereits aus den Augen verloren, da er sich leider von allen alten Freuden, aus welchen Gründen auch immer, abgewendet hatte. Vor ein paar Jahren war er plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden, keiner wusste wieso und wo er war. Ich will nicht zu viel mehr über ihn sagen, weil ich nicht weiß, ob es ihm recht ist, aber soviel sei verraten. Er tauchte vor einiger Zeit unerwartet bei mir auf und es war wieder wie früher. Als ich ihm von meinem neuen Projekt erzählte, war er begeistert und half mir beim Schreiben des Songtextes, da flossen dann natürlich Erfahrungen aus erster Hand ein. Kurz zusammengefasst geht es um einen Mann, der an einem Scheidepunkt steht. Er lässt noch einmal seine ganze berufliche Karriere Revue passieren und fragt, sich wie sein Leben nun weitergehen soll. Dabei blickt er nicht nur auf mancherlei zweifelhafte Praktiken im Finanzsektor, sondern auch auf sein Privatleben zurück.

IAN ANDERSON

Woher kommt der Name der Band?

Anfangs erwog ich, das Album als zweites Album von Margin zu veröffentlichen. Aber Margin war stilistisch schon fest im Psychedelic Prog verortet, so dass ich mich entschied, besser ein weiteres Musik-Projekt zu gründen. Irgendwann fiel mir dann Reflection Club ein. Ich finde, der Name passt in mehrerlei Hinsicht sehr gut. Einerseits ist unsere Musik ein Art eigene Reflexion auf die Musik, die uns musikalisch stark geprägt hat. Andererseits reflektiert der Text verschiedene Geschehnisse, die mich beschäftigen oder beschäftigt haben. Und führt man sich die permanenten Finanzskandale vor Augen, wie zuletzt wieder das Wirecard-Drama, besitzt der Songtext leider nach wie vor einen aktuellen Bezug. Außerdem versprüht der Name Reflection Club einen gewissen englischen, snobistischen Charme, das passt schon!

Hast du eine Kopie des Albums an Ian Anderson geschickt?

Ian Anderson werde ich das Album schicken, wenn es offiziell veröffentlicht wird. Auch ich bin gespannt, was er dazu sagt. Vielleicht ist er ja darüber geschmeichelt, dass sein Werk uns als inspirative Vorlage diente. Vielleicht ist er aber auch nicht so erfreut, wenn andere in seinen musikalischen Gewässern fischen. Ich lass mich überraschen.
Paul ist wohl die beste gesangliche Unterstützung, die ich mir für Ian Anderson vorstellen kann, egal ob er unter seinem eigenen Namen oder mit Jethro Tull auftritt. Leider hat sich Ian von seiner Stimmbanderkrankung während der Under-Wraps-Tournee 1984 nie völlig erholt, was sich insbesondere bei Live-Auftritten, je nach Tagesform, mehr oder weniger deutlich zeigt. Hier wäre Paul bei vielen Gesangsparts bestimmt eine große Bereicherung, sowohl solo als auch mit Jethro Tull.

Paul Rijkens (02/2021) - veröffentlicht im IO-Pages-Magazin (06/2021)



Reflection Club - interview with Lutz Meinert Music Waves (2021/03)

Music Waves (Deutschland)

Reflection Club - interview with Lutz Meinert (2021/03)

Hallo, kannst du uns zu Beginn des Interviews etwas über deinen musikalischen Hintergrund erzählen?

Seit 1979 bis Mitte der 80ger Jahre spielte ich als Keyboarder, Sänger und teilweise auch als Schlagzeuger Rock, Progressive Rock und Jazz Rock in mehreren Berliner Amateurbands, wie Cambert, Bizarr, Keex, Solaris und Imago. Danach beschränkte ich mich darauf, mir ein Home-Studio aufzubauen. Denn zu jener Zeit beherrschten Punk, New Wave, NDW, Synthi Pop und später Tekkno die Musikszene in Berlin, und die maßgeblichen deutschen Labels hatten kein Interesse an Jazz- und Progressive Rock.
Nach und nach hatte ich mir ein kleines aber brauchbares Studio aufgebaut und arbeitete an eigenen Stücken. Anfang der 90er Jahre stieß der Gitarrist Georgios Zikidis dazu und wir arbeiteten so gut zusammen, dass wir nach einiger Zeit genügend Material für eine CD aufgenommen hatten. 1993 veröffentlichten wir unter dem Projektnamen For Your Pleasure unser Debütalbum „Scattered Pages“ auf dem selbst gegründeten Label Madvedge Records. Allerdings waren die Titel mehr oder weniger spontan ohne konzeptionelle Vorgabe entstanden und ergaben einen Stilmix aus Rock, Pop, Folk- und Progressive Rock.
Das zweite Album „timeless“ wurde dagegen ein eher reines Prog-Album, und das Duo war zu einer kompletten Band geworden. Aber 2001 löste sich die Band mehr oder weniger auf, frustriert durch häufige Besetzungswechsel, wenige Auftrittsmöglichkeiten für Progbands in und um Berlin und einem mäßigen CD-Verkauf aufgrund eines fehlenden Vertriebs und dem Mangel an Konzerten.

Nach einer langen Auszeit, in der ich gelegentlich in meinem Studio Songs aufnahm, veröffentlichte ich 2014 unter dem Projektnamen Margin ein Psychedelic-Prog-Album mit dem Titel „Pychedelic Teatime“. Hier war wieder Arne Spekat von For Your Pleasue an der Akustikgitarre dabei und meine Frau Carola Meinert mit dem Background-Gesang. Den Lead-Gesang und die übrigen Instrumente nahm ich selbst auf.
Eigentlich wollte ich irgendwann an dem nächsten Margin-Album arbeiten, aber da kam dann die Idee zu „Still Thick as a Brick“ dazwischen, auf dem übrigens ein anderer For-Your-Pleasure-Musiker, Nils Conrad an der E-Gitarre wieder mitwirkt.

Wie bist du auf die Idee gekommen, im Jahr 2021 ein Album in einem Musikstil zu komponieren, der vor 40 Jahren praktiziert wurde?

Ich wäre wohl nie auf die Idee gekommen, wenn nicht Ian Anderson unter eigenem Namen 2012 ein Sequel des Prog-Klassikers „Thick as a Brick“ seiner früheren Band Jethro Tull Mit dem Titel „TAAB2“ veröffentlicht hätte. Denn nachdem ich dieses Album öfter gehört hatte, kam mir irgendwann die Idee, eine Art alternative Fortsetzung von „Thick as a Brick“ zu schreiben, die sich mehr als Andersons Nachfolger am Stil und Sound des Originals orientiert.

 

Warum Jethro Tull? Und warum „Thick as a Brick“?

Um das zu verstehen muss ich vorausschicken, dass „Thick as a Brick“ eine ganz besondere Rolle in meinem Leben spielt und und reise dazu kurz ins Jahr 1972. Da war ich 13 Jahre alt und Musik war zu jener Zeit für mich nicht mehr als ein angenehmer, akustischer Background bei langweiligen Tätigkeiten wie Schularbeiten oder Aufräumen. Die einzige Energie, die ich in Musik steckte, bestand darin, hin und wieder mal einen Song aus dem Radio auf meinen Kassettenrekorder aufzunehmen. Und neben Hits von T.Rex, Deep Purple, Alice Cooper, Sweet, Slade, Cher und Don Mclean landete irgendwann auch der Song „Thick as a Brick“ auf meiner Kassette - die Singleauskoppelung aus dem gleichnamigen Album der mir damals völlig unbekannten Band Jethro Tull. Und je öfter ich sie abspielte, um so mehr stach für mich dieser Song heraus, so dass ich irgendwann beschloss, meine erste LP zu kaufen: „Thick as a Brick“ von Jethro Tull! Ich brauchte zwar etwas Zeit, um mich in diese für mich neue, recht komplexe Musik einzuhören, aber danach kannte meine Musikbegeisterung keine Grenzen mehr. Ich besorgte mir nicht nur alle vorigen Alben von Jethro Tull, sondern verschlang auch Musikzeitschriften über Rockmusik und entdeckte bald weitere interessante Bands wie Genesis, Yes, King Crimson, Camel, Focus . So war für mich „Thick as a Brick“ die Initialzündung, die mich in die wunderbare Welt des Progressive Rock, Hard Rock, Jazz Rock, Folk Rock, Psychedelic Rock und Blues Rock katapultierte und mündete letztendlich in den Wunsch, selbst einmal Musik zu machen.
Und als dann Ian Anderson selbst eine Fortsetzung veröffentlichte und mich damit auf die Idee brachte, schloss sich der Kreis.


Vier Jahre zwischen der Entstehung von Reflection Club und der Veröffentlichung dieses Albums: Wie kam es dazu?

Die ganze Produktion war sehr aufwändig. Neben dem Komponieren, Arrangieren und Aufnehmen war es vor allem das Abmischen, dass mich sehr viel Zeit kostete. Einerseits sind die Arrangements teilweise sehr dicht und komplex, und es war schon etwas mühsam, alle die polyphonen Musiklinien und Instrumente mit allen Feinheiten im Mix herauszuarbeiten, ohne dass dabei der Fokus auf die Leadstimmen verloren geht. Außerdem wurden vielen Jethro-Tull-Alben von Steven Wilson exzellent remixt und in bester Qualität gemastert. Auch hier hing die Latte extrem hoch, was mich auch aber auch besonders anspornte. Dann hatte ich mich auch noch entschlossen, neben dem HD-Stereo-Mix auch einen 5.1-Surround-Mix zu erstellen. Da ich so etwas noch nie zuvor gemacht hatte, musste ich erst mal mein Studio mit Hardware und Software aufrüsten und mich danach in die ganze Materie einarbeiten. Außerdem sollte es noch ein Album-Video über die gesamte Spielzeit des Stückes geben, das als recht aufwändig geschnittene Slide-Show realisiert wurde. Allein die Suche nach den passenden Fotos dauerte Monate. Dass alles zu montieren und zu schneiden kostete dann weitere Monate. Da ich in diesen Dingen Perfektionist bin und alles auch noch nebenberuflich machen musste, ging schon einige Zeit ins Land.

 

Wie hast du die verschiedenen Instrumentalisten ausgewählt?

Den Gitarristen Nils Conrad kenne ich bereits seit Ende der 90er Jahre, als wir zusammen bei For Your Pleasure spielten. Natürlich habe ich auch später seine Karriere bei der Berliner Prog-Band Crystal Palace verfolgt, der er sich 2011 anschloss. Er war von vornherein meine erste Wahl, weil er den Rock-Stil eines Martin Barre genauso meistert wie virtuose Fusion-Gitarren.
Als nächste trat Ulla dem Club bei, die ich schon seit vielen Jahre kannte, aber sie nur am Rande als Flötistin wahrgenommen hatte. Ich wusste zwar, dass sie Querflöte spielt, aber eher nur für sich oder in ihrem Chor ab und zu einen Song mit der Flöte begleitete. Als sie davon hörte, dass ich einen Flötisten für Studioaufnahmen suche, bot sie sich an. Eigentlich hielt ich das für eine absolute Schnapsidee, aber ich lud sie dennoch aus Höflichkeit zu mir ins Studio ein. Die Probeaufnahmen verliefen dann überraschender Weise weitaus besser, als ich erwartet hatte und wir nahmen gleich am ersten Tag die ersten Takes für das Album auf. Die eher klassisch angelegten Parts gelangen ihr fast auf Anhieb. Bei den rockigen Parts brauchte sie einige Zeit, um ihre klassische Flötenschule auszublenden und statt des reinen Tones ganz bewusst geräuschvoll und überblasen zu spielen. Aber auch das gelang ihr bald richtg gut. So war dieses Besetzungsproblem gelöst.
Die Suche nach einem Sänger mit dem Timbre eines Ian Anderson war dagegen aufwändiger. Zunächst ging ich alle Bands und Sänger im Geiste durch, die ich kannte – und das sind wahrlich nicht wenig. Aber kein Sänger schien wirklich zu passen. Schließlich durchforschte ich das Internet nach Jethro Tull-Coverbands und entdeckte irgendwann auf youtube ein Video von Jethro Tull mit dem Gastsänger Paul Forrest (https://www.youtube.com/watch?v=dFDUC87pmh4).
Sein Gesang und sein Flötenspiel klangen darauf so authentisch nach dem jungen Ian Anderson, dass es für mich sofort feststand, ihn für das Projekt zu gewinnen, was über das Internet dann auch rasch geschah. Dass er übrigens auch noch ausgezeichnet die Akustikgitarre beherrscht ist, ein weiterer Gewinn für das Album.

Wie verlief der Aufnahmeprozess?

Ich hatte zuerst alle Instrumente und den Gesang in meinem Studio aufgenommen, wobei die Gitarren, Flöten- und Gesangsparts nur als vorläufige Demospuren fungierten. Somit erhielt ich einen guten Gesamteindruck und konnte noch beim Arrangement an Kleinigkeiten rumfeilen.
Dann nahm Ulla in meinem Studio alle Flötenparts auf. Danach schickte ich Paul den Rough-Mix nach Amerika, damit er dort in seinem Studio den Gesang und die Akustikgitarre aufnehmen konnte. Dabei zeigte sich, dass der zweite Part „Timeout“ etwas zu tief in der Tonhöhe für seine Stimme lag. Deshalb transponierte ich diesen Part einen Halbton höher, passte die Übergänge entsprechend an und schickte Paul wieder den angepassten Rough-Mix. Als Paul den Gesang und die Akustikgitarre aufgenommen hatte, bot er an, auch gleich noch die Querflöte neu einzuspielen, da dies ebenso durch die Transponierung nötig geworden war. Deshalb ist Pauls Querflöte auf „Time out“zu hören.
Schließlich schickte ich Nils den aktualisierten Rough-Mix, damit er in seinem Studio die Gitarrenparts aufnehmen und mir wieder zuschicken konnte. Dank Digitaltechnik und Internet gelang alles problemlos.


Wenn Sie den Originaltitel des Albums und seine Ikonographie nehmen, hast du dann nicht Angst, dass einige Leute Plagiat schreien könnten, bevor sie auch nur die kleinste Note des Albums hören?

Nun, damit muss ich rechnen. Es wird bestimmt ein paar Jethro-Tull-Fans geben, die unser Debut als Blasphemie bezeichnen, aber damit müssen wir halt leben. Es ist schon eine heikle Angelegenheit, wenn man solch eine Hommage veröffentlicht. Deshalb wollte ich auf jeden Fall vermeiden, dass unser Album wie ein Plagiat klingt. So basiert „Still Thick as a Brick“ auf einer ganz neuen Komposition, ohne jegliche Zuhilfenahme von Zitaten aus Jethro Tull-Songs. Auch beinhaltet unser Debüt Abschnitte, die nicht unbedingt typisch nach Jethro Tull klingen, aber dennoch gut in den Gesamtsound passen. Beispielsweise gibt es Fusion- und Jazz-Parts und Arrangements mit Tablas, Sitar, und Dudelsäcken, die nicht unbedingt typisch für Jethro Tull sind.
Auch der Songtext erzählt eine eigene Story, bei dem unter anderen zweifelhafte Praktiken im Finanzwesen im Mittelpunkt stehen.
Bezogen auf das erste Feedback zu unserem Album, scheint unser Konzept geglückt zu sein. Wir haben schon von mehreren Käufern begeisterte Zuschriften bekommen, und auch die ersten Reviews sind durchweg positiv. So schrieb beispielsweise das Eclipsed-Magazin in der Review zu „Still Thick as a Brick“ unter anderem „Ein Pastiche ist nicht zu verwechseln mit einem Plagiat, greift es doch die ästhetische Vision und die stilistischen Mittel des Vorbilds – gerne auch sehr detailgenau – auf, um darauf aufbauend etwas Eigenes, Neues zu erschaffen. Genau das gelingt auf diesem überzeugenden Album mit Bravour!“ Exakt genau das war uns Anliegen!


Gerald Bostock, Georges Boston ... die Analogie schmiegt sich sogar in den Namen Ihres Kollaborateurs. Ist das ein einfacher Zufall?

Nein, es sollte durch die Namensähnlichkeit schon ein Bezug zu dem Protagonisten auf „Thick as a Brick“, dem achtjährigen Gerald Bostock hergestellt werden, der quasi in einem Paralleluniversum als erwachsener George Boston auf sein Leben zurückblickt. Es gibt auch im Songtext eine kleine Andeutung hierzu, wenn kurz „eingestaubte Gedichte“ erwähnt werden. Dies bezieht sich natürlich auf das fiktive Gedicht „Thick as a Brick“, das dem Original den Namen gab.

Im gleichen Geist, aber in einem anderen Stil, hat Rob Reed mit seinem Projekt Sanctuary 3 (bald 4) Alben im Stil von Mike Oldfield veröffentlicht. Kennst Du diese Werke? Wenn ja, glaubst Du, dass du den gleichen Ansatz hast wie er?

Sicher kenne ich diese Alben von Rob Reed, Sanctuary 1 – 3 stehen sogar in meiner CD-Sammlung. Ich finde die frühen Alben von Mike Oldfield großartig, insbesondere „Ommadawn“. Doch nach 1978 konnte mich kein weiteres Mike Oldfield-Album mehr sonderlich begeistern. Da war für mich eine schöne Überraschung mit Sanctuary ein „neues Mike Oldfield Album“ scheinbar aus dessen Hochzeit zu hören – auch wenn es natürlich von Robert Reed war. Er hat nicht nur den Stil von Oldfield hinsichtlich Komposition und Arrangement perfekt adaptiert, sondern auch noch dessen ganz eigenen Gitarrenton, erstaunlich.
In der Tat sind die Ansätze nahezu deckungsgleich: Rob Reed und Reflection Club spielen beide eigene Stücke, aber „im Stil der (jeweiligen) alten Meister“. Vielleicht hält sich dabei Rob Reed noch enger an Mike Oldfield als wir an Jethro Tull, aber darüber mögen besser andere urteilen.

Ist Reflection Club ein langfristiges Projekt ? Geht es nur um Jethro Tull? Oder planst du, auch anderen Bands Tribut zu zollen?

Ich war bislang so mit der Produktion beschäftigt, das ich noch nicht dazu kam, die weitere Zukunft zu planen. Da die Zusammenarbeit mit Paul, Nils und Ulla so angenehm und musikalisch ergiebig war, würde ich mit ihnen gerne wieder das nächste Album einspielen. Und mit dieser Besetzung dürfte es auch wieder recht tullig werden, allein schon wegen der Einbindung der Querflöte und Pauls Stimme. Ob dabei stets ein Jethro Tull Album Pate stehen wird oder ein anderer Klassiker, wird sich zeigen. Natürlich wäre es eine interessante, aber auch sehr herausfordernde Idee, das Homage-Konzept unseres Debüts auch auf andere Klassiker anzuwenden. Welche Band macht das schon? Das kann, wie bei „Still Thick as a Brick“ geschehen, eine schöne Quelle der Inspiration sein. Anderseits mag es auch hinderlich sein, wenn man eine musikalische oder textliche Vision im Kopf hat, die sich nicht direkt in einem Klassiker widerspiegelt. Vielleicht gibt es auch einen Mittelweg, mal sehen. Sollten wir aber mal eine Fortsetzung von „Close to the Edge“ von Yes, „Godbluff“ von Van der Graaf Generator oder „Brain Salad Surgery“ von Emerson, Lake & Palmer – eigentlich auch drei Inselplatten von mir – planen, dürfte Paul als Sänger wohl einige Probleme bekommen ...


Welche Art von Musik hörst du?

Ich höre viel Verschiedenes. Neben Progressive Rock auch Jazz-Rock und Jazz, Hard Rock, Folk, Folk Rock, Art Rock, Psychedelic Rock, Blues Rock, Grunge, Alternative Rock, Southern Rock, Ambient, Elektronische Musik, Singer-/Songwriter, Klassik und auch interessanten Pop. Eigentlich ist es egal, ob der Song nun komplex oder einfach gehalten, neu oder alt ist. Es gibt aber auch Musikrichtungen, die meinen Ohren weniger schmeicheln, weil hier für mich oft die Basis der Musik fehlt, nämlich interessante Melodien oder das Ganze zu stereotyp klingt. Hierzu würde ich Hip Hop, Rap, Tekkno, Death Metal, Disco oder klassischen Rock‘n‘Roll zählen. Und bei spoken words, ob nun gerappt, gegrowlt oder genuschelt, steppe ich sowieso schnell weiter.

Was wären deine 5 einsamen Inselalben?

Oh je, nur fünf Alben für die Insel, das ist für mich eigentlich nicht zu beantworten. Ich habe in meinem Leben schon so viel hervorragende Musik gehört, die meine Seele tief berührt hat, dass fünf Alben niemals ausreichen würden, sie dort unterzubringen.
Ganz spontan würden mir, natürlich alphabetisch geordnet, folgende fünf Albenpaare einfallen:

David Bowie – Hunky Dory / Ziggy Stardust
Brand X – Unorthodox Behaviour / Masques
Genesis – Foxtrot / Selling England by the Pound
Jethro Tull – Thick as a Brick / Aqualung
Pink Floyd – Meddle / More

Natürlich habe ich hier gemogelt und je zwei Alben pro Interpreten genannt, aber ich könnte mich wohl niemals für das eine oder andere Album entscheiden. Das wäre so ähnlich wie die Frage, was schmeckt Dir besser, eine gute Pizza oder ein gutes Pasta-Gericht? In der Praxis löse ich das Problem der für mich nicht zu beantwortenden Frage mit folgenden Trick: Ich esse beides hintereinander!

Aber eigentlich hätte ich noch Alben von King Crimson, Yes, Camel, Transatlantic, Caravan, David Sylvian, Porcupine Tree, Tori Amos, U.K., Bruford und noch vielen anderen Interpreten nennen müssen. Die Insel dürfte nicht zu klein sein ...


Ganz allgemein, wie siehst du den Progressive Rock im Jahr 2021 ? Wie siehst du die Zukunft?

Nach den 80er Jahren, in denen der Progressive Rock bei großen Teilen der Musikpresse und bei den großen Labels verpönt war, finde ich es erstaunlich, wir sehr diese Musikrichtung wieder an Ansehen gewonnen hat. Seit vielen Jahren wird wieder darüber in der Musikpresse berichtet und es gibt etliche, teils auch neue Prog-Bands, die Alben veröffentlichen, Konzerte geben und sogar die Titel von Musikmagazinen schmücken wie Transatlantic oder Steven Wilson – auch wenn letzterer seit kurzem wohl nur noch seine Leidenschaft für Disco-Pop auslebt. Natürlich wird Prog wohl niemals Mainstream werden, dies war er auch nicht in den 70ern, dazu ist diese Musik schlicht zu komplex, um bei jeder Gelegenheit massenhaft konsumiert zu werden. Aber der Progressive Rock hat seit längerem wieder den Stellenwert, den er verdient. Und bei der stetigen Präsenz von Prog-Bands, -Zeitschriften, -Portalen, -Foren und -Rubriken, denke ich, dass dies auch zukünftig so bleiben wird.

Ein letztes Wort für unsere Leser?

It‘s only Prog‘n‘Roll but I like it!

Vielen Dank!
   

Musikzirkus-Magazin (Deutschland)
Interview mit Lutz Meinert (2021/02)
    

Reflection Club - interview ProgRock Journal

Progressive Rock Journal (international)

Exclusive interview with Reflection Club

Hallo Jungs und danke für die Zeit, die ihr uns geschenkt habt, wie geht es euch?

Alle: Ausgezeichnet!

Ihr seid eine junge Band, woher kommt die Idee, Musik zu machen und warum habt ihr euch für Progressive Rock entschieden?

Lutz: Die Band ist zwar relativ neu, aber wir alle machen schon seit vielen Jahren Musik. Für mich als Komponist, Arrangeur und Instrumentalist bietet der Progressive Rock mehr Freiräume als jede andere Stilrichtung, die ich kenne. Hard Rock, Folk Rock, Jazz Rock, Klassik, Psychedelic Rock, Blues Rock, Ambient Music, alle diese Stile - nur um einige Beispiele zu nennen - können im Progressive Rock aufgegriffen und miteinander kombiniert werden. Nicht nur stilistisch, auch formal gibt es im Progressive Rock keine Begrenzungen wie das übliche Songformat aus Strophe und Refrain mit stets gleicher Taktart und gleichem Tempo. Statt dessen können hier verschiedene Parts auf einander folgen und damit ganz unterschiedliche Stimmungen innerhalb einer Komposition mit überraschenden Wendungen entstehen. Wenn alles kunstvoll und abwechslungsreich mit einander verwoben ist und sich daraus ein guter dramaturgischer Fluss ergibt, kann so ein toller musikalischer Trip entstehen, bei dem man sich als Musiker richtig austoben kann.

Ulla: Ich komme ja eher von der klassischen Musik. Obwohl ich hin und wieder auch Rock- und Popmusik höre, bin ich auf diesem Gebiet bei weitem nicht so bewandert wie die Anderen in der Band. Aber viele recht komplexe und polyphon angelegte Passagen auf „Still Thick as a Brick“ weisen für mich interessante Parallelen zur klassischen Musik auf, da fühle ich mich sehr zu Hause.

Euer Folk-Prog-Sound orientiert sich vor allem am 70er-Jahre-Stil von Jethro Tull, was sind ansonsten eure Inspirationsquellen, falls es welche gibt?

Lutz: Ich denke, bei mir gibt es sehr viele unbewusste Inspirationsquellen. Neben Jethro Tull habe mich auch andere Bands wie Genesis, Yes, King Crimson, Van der Graaf Generator, Brand X, Pink Floyd, Camel, Caravan, Focus und Kansas mit mehreren Alben mächtig fasziniert. Und diese Aufzählung ist nur ein kleiner Ausschnitt vom wundervollen Musikuniversum, dass mich mein Leben lang begleitet hat. All diese Musik habe ich förmlich über Jahrzehnte inhaliert und das hat sicherlich Spuren in unserer Musik hinterlassen. Was davon tatsächlich herauszuhören ist, mag jeder für sich entscheiden.

Euer Debütalbum "Still Thick As A Brick" ist eine Hommage an Jethro Tull, aber die Stücke sind originell und persönlich, warum diese Wahl?

Paul: Wir wurden von Ians Thick As A Brick 2 inspiriert. Es war seine Interpretation und Reaktion auf das Original. Also dachten wir: Wenn das seine Version ist, was wäre dann unsere? Er hat die Geschichte von Gerald Bostock ins 21. Jahrhundert gebracht, also dachten wir, wir machen etwas in dieser Richtung, aber mehr im Stil, vor allem gesanglich, des Originalalbums. Ian hat Themen, Riffs und Motive des Originals verwendet, wir mussten dagegen einfach das Gesamtkonzept und den Stil des Originals übernehmen, aber etwas Persönlicheres und Originelleres machen. Man könnte also sagen, dass wir dem Stil und dem Konzept direkt Tribut zollen, nicht aber dem Inhalt. Andernfalls würden wir eher Urheberrechtsgebühren als Huldigungen zahlen!

Das auf den Seiten unseres Webzines geschätzte und positiv besprochene Album ist eine gelungene Mischung aus Folk und Prog. Wie würdet Ihr das Album beschreiben?

Lutz: Das ist schon eine gute Beschreibung unseres Stils, wobei ich den Folk als ein Element neben anderen in unserem Prog-Sounds betrachte. Mich haben schon immer Bands fasziniert, die akustiche und elektrische Instrumente verwenden, wie beispielsweise Jethro Tull, die frühen Genesis, Strawbs oder Gryphon.

Der Sound ist intensiv, abwechslungsreich und persönlich, die Fans haben sich gefragt, was sie für Live-Auftritte planen, falls es welche gibt.

Lutz: Natürlich würde es uns reizen, „Still Thick as a Brick“ live zu spielen, obwohl das sicherlich ein aufwändiges Vorhaben würde, zumal noch zusätzliche Musiker nötig wären, da ich auf unserem Debüt mehre Instrumente gleichzeitig spiele. Da aber Paul in Amerika lebt und dort in seinen beiden Bands Jethro Tull Experience und The Fab Three spielt, Ulla, Nils und ich noch daneben Vollzeitjobs haben und Nils auch noch in seiner Band Crystal Palace spielt, ist dies derzeit aus logistischen Gründen leider nicht möglich.

Das erste Album zeigte uns eine Menge gut entwickelter Ideen und gute Technik, viele fragen sich, ob es Pläne für ein weiteres Studioalbum in der Zukunft gibt.

Lutz: Die gibt es in der Tat. Wir arbeiten bereits wieder an dem Nachfolger. Soviel sei nur verraten: Es wird wieder ein Konzeptalbum werden, das - wie schon unser Debüt – auch wieder als Mediabook und Vinyl mit CD und Surround-DVD veröffentlicht wird.

Wie komplex ist es heutzutage, zwischen den "Einschränkungen" und der Nachfrage des modernen Musikmarktes, Musik einer bestimmten Art anzubieten?

Lutz: Das Angebot an Musik ist heutzutage riesig und für den einzelnen längst nicht nicht mehr zu überblicken. Die Konkurrenz ist immens. Außerdem kann man heutzutage auf Youtube, bei Spotify oder anderen Streaming–Diensten zig tausende Alben umsonst hören und permanent kommen weitere dazu. Die Notwendigkeit sich Alben zu kaufen, nur um Musik zu hören, entfällt somit. Und es passiert leicht, dass man mit seiner Musik im Überangebot schlichtweg untergeht.
So ist wahrlich kein leichtes Unterfangen, heutzutage mit Musik Geld zu verdienen. Aber das war es früher auch nicht. So hatte man früher als Band, wenn man ein Album veröffentlichen wollte, nur eine Chance, wenn man eine Plattenfirma fand. Denn nur dieser standen in der Regel alle die finanziellen und logistischen Ressourcen zur Verfügung, die für die Erstellung und Vermarktung eines Albums unvermeidlich waren. Hierzu zählten die Aufnahmen im Tonstudios, der Produzent, der Grafiker und Designer, das Mastering, die Erstellung der Tonträger, der Vertrieb in möglichst viele Plattenläden, die Bemusterung von Radiostationen, Werbung, Reviews und Interviews in Printmedien, Gigs auf Festivals oder gar ganze Tourneen. Und schon damals war es nur sehr wenigen Bands vergönnt, solch einen begehrten Plattenvertrag zu erhaschen, der zuweilen mit einer mageren Umsatzbeteiligung vom Tonträgerverkauf von den Bands bezahlt werden musste. Auch war es nicht selten, dass Plattenfirmen über die Auswahl und Reihenfolge der Titel auf dem jeweiligen Album entschieden und Einflussnahme über den Produzenten auf die künstlerische Ausrichtung und das Image der Bands ausübten, was nicht jedem Musiker behagte. Spielt man dann auch noch Progressive Rock, war dies – zumindest in Deutschland - ab Ende der 70er Jahre nahezu aussichtslos.
Heute stehen den Musikern noch ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung. So kann man sich durch die immense Entwicklung der Digitaltechnik hochwertige Studiotechnik in Form von virtuellen Mischpulten, Mehrspurmaschinen, Effektgeräten bis hin zu virtuellen Instrumenten - im Vergleich zur entsprechenden Hardware - relativ preisgünstig beschaffen. Studiotechnik, die früher ein Vermögen gekostet hätte, steht längst als Software mit entsprechender Soundkarte für ein paar Tausend Euro im PC zur Verfügung.
Mit preisgünstige Bildbearbeitungs- und DTP-Programmen lassen sich professionelle Druckvorlagen für Cover, Plakate und Anzeigen erzeugen. Via Bandcamp, Amazon, Online-Musikshops und auf der eigenen Homepage lassen sich die Tonträger relativ leicht und günstig weltweit vertreiben. Für Reviews, Bandartikel und Anzeigen kann man sich direkt an Musikmagazine (Print-Magazin oder online) wenden, wie auch an zahlreiche Onlineradios für die unterschiedlichsten Musikrichtungen. Weitere Werbung kann über zahlreiche soziale Netzwerke erfolgen. Musik-Videos lassen sich mit Smartphones, Systemkameras und Schnittsoftware relativ günstig und leicht selbst erstellen und auf Youtube oder andere Videoplattformen veröffentlichen.
Diese Freiheit ist allerdings auch – neben den Unkosten – vor allem mit viel Arbeitseinsatz verbunden. Sich in die ganzen unterschiedlichen Bereiche einzuarbeiten kostet viel Zeit und Ausdauer. ,

Welchen Rat würdest du Künstlern geben, die heute und in Zukunft Prog Rock anbieten wollen?

Lutz: Den gleichen, dem ich jeden Musiker geben würde: Musik zu machen, wenn der Wunsch von ihnen kommt. Es ist ein großartiges Gefühl, dieser Leidenschaft zu folgen. Zwar ist der Progressive Rock nach wie vor eine eher kleine musikalische, aber nach wie vor äußerst lebendige Nische, in der sich immer wieder neue Bands tummeln und von den Fans weltweit aufmerksam verfolgt wird. So gibt es längst eine gut vernetzte Prog-Szene im Internet mit zahlreicher Web-Präsenz und in sozialen Netzwerken innerhalb vieler Gruppen und mit langjährigen Print-Magazinen Ich kann nur Prog-Musikern raten, dort präsent zu sein. Wenn eine Band viel Energie in ihre Musik steckt, sich aber dabei nur halbherzig um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert, wäre es ein Jammer, wenn mach großartiges Stück der interessierten Öffentlichkeit verborgen blieb.

Die letzte Frage lassen wir, wie in unseren Interviews üblich, frei, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Anekdote zu erzählen oder ein Thema anzusprechen, das in den vorherigen Fragen nicht angesprochen wurde.

Ulla: Ich kann eine kleine Anekdote mit euch teilen. Lutz wollte in seinen Kompositionen auf unserem Album den Sound von „Thick as a Brick“ wieder aufleben lassen, und die Flöte steht oft im Mittelpunkt. Zum Glück hat er mich nicht gebeten, genau wie Ian Anderson zu spielen. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich seinen ganz speziellen Stil nicht hinbekommen. Die Flötenpassagen waren schon schwierig genug zu spielen, und ich musste mich erst an diesen Stil gewöhnen. Obwohl ich dachte, dass ich langsam ein Gefühl dafür bekommen würde, war ich mir nicht sicher, ob es wirklich das war, was Lutz im Sinn hatte. Während dieser Zeit bekam ich einen überraschenden Besuch von einem Freund, während im Hintergrund immer noch der Rough Mix von „The Club of Hopeful Pinions“ lief, den ich mir oft zur Kontrolle anhörte. „Hey, du hörst Jethro Tull“, sagte er mitten im Gespräch, „das hätte ich nicht gedacht“. Ich sagte nur, dass ich eine Vielzahl von Musik höre und wechselte schnell das Thema. Ich war froh, dass er nicht nach dem Album fragte, auf dem der Song war, denn unser Projekt war zu diesem Zeitpunkt noch streng geheim. Auf jeden Fall war ich danach einigermaßen beruhigt, was meine Flötenparts anging.

Jacopo Vigezzi (10/2021)

REFLECTION CLUB: Declaration of Love (Interview)

Prog Sphere (international)

REFLECTION CLUB: Liebeserklärung

Definieren Sie die Mission von Reflection Club.

Als ich das Projekt gründete, ging es mir es erst einmal nur darum, eine Hommage auf „Thick as a Brick“ von Jethro Tull zu produzieren, die deren damaligen Sound mit einer eigenen Komposition wieder aufleben lässt und mit weiteren Jazz- und Prog-Elementen erweitert. Der Bandname „Reflection Club“ passte perfekt zum Vorhaben, denn „Still Thick as a Brick“ ist tatsächlich eine musikalische Reflexion auf den Progressive Rock der 70er Jahre, hier in der Spielart von Jethro Tull.
Auch der Text ist eine Reflexion auf Geschehnisse, die mich beschäftigen und die als mehr oder weniger zentrales Thema in Form eines Konzeptalbums betrachtet werden. Nach der bisher tollen Resonanz auf unser Debüt lautet die Misson vom Reflection Club, die Welt mit weiteren interessanten Konzeptalben dieser Art zu beglücken.

Erzählen Sie mir etwas über den kreativen Prozess, der Ihrem neuen Album „Still Thick as a Brick“ zugrunde liegt, und über die Themen, die es behandelt.

Als ich 2012 „Still Thick as a Brick 2“ von Ian Anderson 2012 hörte, kam mir spontan die Idee, eine Art eigene Fortsetzung von „Thick as a Brick“ zu schreiben, die sich stilistisch näher am Originalwerk „Thick as a Brick“, dem Klassiker von Jethro Tull aus dem Jahre 1972, orientiert. Sofort fielen mit damals dazu die Gesangsmelodien und Themen ein, die ich gleich im Studio festhielt. Auch die Story für den Songtext hatte ich im Groben im Kopf. Allerdings steckte ich zu jener Zeit gerade mitten in der Arbeit zu „Psychedelic Teatime“, dem Debütalbum meines anderen Psychedelic-Prog-Projektes Margin. Und das wollte ich erst in aller Ruhe fertigstellen, bevor ich mich an ein neues Projekt wagte.

Die Thematik von „Still Thick as Brick“ ist recht komplex, da sie sich auf unterschiedlichen Ebenen und Bereichen des Konzeptalbums bezieht. Da gibt zunächst einmal den Songtext, der von jemanden handelt, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere im Finanzsektor am Scheidepunkt steht und kritisch auf sein berufliches und privates Leben zurückblickt. Dabei werden sehr zweifelthafte Praktiken in der Finanzwelt beschrieben, sowie die Entwicklung der Kleinstadt Rellington vom verschlafenen Fischdorf zum gehypten Szeneort.
Schaut man sich das beiliegende Musikmagazin „Rellington Stone“ an, erfährt man, dass es sich bei der Hauptperson im Songtext um einen gewissen George Bosten handelt, dem erfolgreichen Finanzmogul, der vor ein paar Jahren plötzlich vollständig aus der Öffentlichkeit verschwand und laut Gerüchten am Songtext von „Still Thick as a Brick“ mitgeschrieben hat.
Im Rellington Stone gibt es noch weitere Artikel zum Album und zu Rellington und auf der DVD wird die komplette Musik auch noch mit einer aufwändigen Dia-Show visualisiert.
Letzten Endes offenbart sich die Album-Story erst vollständig, wenn man die Songtexte und das Rellington-Stone-Magazin liest, das Video sieht und natürlich dabei die Musik hört. Alles ergänzt sich miteinander, wie es sich für ein gutes Konzeptalbum gehört.

Was ist die Botschaft von „Still Thick as a Brick“?

Textlich geht es um die Frage, wie viel man von seinem Gewissen für Macht und Reichtum zu opfern bereit ist.
Musikalisch ist es eine Liebeserklärung an den Progressive Rock der frühen 70er Jahre, insbesondere den in der Spielart von Jethro Tull.

Wie haben Sie die Musik dokumentiert, während sie formuliert wurde?

Wenn mir ein interessantes Thema einfällt, singe ich es einfach in mein Smartphone. Diese Aufnahmen höre ich regelmäßig im Studio ab und nehme sie gleich auf einer Instrumentalspur auf, wenn sie mir dann immer noch gefallen. So lief es auch bei "„Still Thick as a Brick“ ab.

Ist der dynamische Fluss der Stücke sorgfältig durchdacht?

Besonders wenn man an einer längeren durchgehenden Kompostion arbeitet, wie bei „Still Thick as a Brick“, die fast 48 Minuten lang ist, muss man sehr darauf achten, dass die Dramaturgie stimmt. Das Wechselspiel aus ruhigen und schnellen Parts, aus dicht und sparsam arrangierten Abschnitten und aus akustischen und elektrischen Arrangements muss stimmen, damit die Musik dich durch die gesamte Komposition trägt, ohne dass du dich zwischendurch langweilst oder gehetzt fühlst . So ein Longtrack ist für mich wie eine spannende Reise, bei der du einerseits nicht weißt, was als Nächstes kommst, aber andererseits ab und zu auch etwas Vertrautes siehst, an dem du dich orientieren kannst.

Beschreiben Sie die Vorgehensweise bei der Aufnahme des Albums.

Zuerst nahm ich die 11 einzelnen Parts nacheinander komplett mit allen Instrumental- und Gesangsspuren auf. Darunter waren auch Dummy-Spuren, die später von den anderen Musikern ersetzt wurden wie Gesang, Flöte und Gitarren. Danach hörte ich mir alles immer und immer wieder an, feilte noch etwas an den Übergängen und Arrangements, probierte andere Klangfarben aus, bis alles in sich stimmig war. Es war ein wenig wie im Übungsraum mit der Band, wenn die Stücke durch das häufige Spielen und Ausprobieren schließlich die Form annehmen, bei der alle sich wohl fühlen.
Anschließend nahm ich im Studio Ullas Flöte auf. Paul und Nils schickte ich die Sqeunzer-Spruren mit dem Rough-Mix, damit sie ihre in Parts in ihren Studios aufnehmen konnten und sie schickten mir die fertigen Takes zurück.
Danach verblieb für mich noch der Stereo- und Suround-Mix und das Mastering übrig.

Wie lange war „Still Thick as a Brick“ in der Entstehung?

Eigentlich waren die Aufnahmen bereits 2017 größtenteils abgeschlossen. Der Großteil der Arbeit fing erst danach für mich an, nämlich die langwierige Arbeit des Abmischens. Viele Jethro-Tull-Alben wurden ja von keinem geringeren als Steven Wilson remixt, deshalb lag nicht nur musikalisch, sondern soundtechnisch die Hürde extrem hoch. Außerdem musste ich mich auch erst einmal in die Mehrkanal-Kanal-Materie einarbeiten, da ich zuvor nur auf Stereo gemixt hatte. Das erforderte auch eine Hard- und Software-Erweiterung meines Studios, was viel Lesen und Ausprobieren mit sich brachte. Als ebenfalls sehr arbeitsintensiv erwies sich die Erstellung des Rellington-Stone-Magazins mit dem den ganzen Artikeln und deren Einbindung in das Zeitungslayout. Auch das Album-Video hat sehr viel Zeit gekostet. Alleine das Sichten von Massen an Fotos für die ca. 680 Bilder, die ich für das Album-Video und den Album-Trailer verwendet habe, kostete mich alleine schon diverse Wochen. Das alles dann zu montieren und zu synchronisieren, war eine weitere Riesenarbeit. Am Schluss kam das Mastern und die Einbindung des Presswerkes. Das hat alles sehr viel länger gedauert, als ich ursprünglich gedacht hatte. Dass ich in gewissen Dingen Perfektionist bin, hat das Ganze auch noch in die Länge gezogen. Dafür habe ich dabei viele nützliche Erfahrungen gemacht, von denen zukünftige Produktionen sicherlich profitieren werden.

Welche Bands oder Künstler haben Sie bei der Arbeit an dem Album beeinflusst?

Bei unserem Debüt stand als Inspirationsquelle natürlich Jethro Tull im Vordergrund, kein Wunder, wenn man eine Hommage an „Thick as a Brick“ macht. Allerdings hat mich daneben auch der Progressive Rock und Jazz-Rock der 70ger Jahre geprägt, was man bei unserem Debüt auch raushören kann. Nicht jede Passage klingt hier typisch nach Jethro Tull. Und da gibt es viele Bands, die mich beeinflusst haben, wie Genesis, Yes, Gentle Giant, King Crimson, PFM, Brand X, Pink Floyd und viele mehr. Manches davon wird sicher in unserem Sound durchschimmern.

Was ist Ihre Ansicht über Technologie in der Musik?

Die Digitaltechnik von heute ermöglicht es, zu einem halbwegs erschwinglichen Preis sich ein eigenes, professionelles Studio einzurichten, das noch in den 70er bis 90er Jahren ein beträchtliches Vermögen gekostet hätte
Ohne ein virtuelles, beliebig erweiterbares Mischpult, virtuelle Studioeffekte und Instrumente wäre dieses Debüt niemals in dieser Qualität möglich und vor allem bezahlbar gewesen. Auch der Austausch von Audio-Dateien über das Internet gehört hierzu. Für mich ergibt sich damit ein Produktionsparadies. Allerdings habe ich auch das Interesse und die Ausdauer, mich neben der Musik mit der ganzen Technik auseinanderzusetzen.
Doch ohne gute Kompositionen und gute Musiker macht auch die beste Technik keine gute Musik daraus. Und wenig originelle, austauschbare Musik kann man mit oder ohne Digitaltechnik machen...

Siehst du deine Musik als einen Zweck, der über die Musik hinausgeht?

Ich sehe unser Album als Gesamtkunstwerk, bei dem die Musik zwar dies Basis ist, aber Text, Cover und Video auch eine wichtige Rolle spielen und das inhaltliche Konzept verdeutlichen. Und diese Ebene ist mir auch wichtig. Aber in erster Linie bin ich Musiker und weiß, wie begrenzt die Möglichkeit ist, sich in ein paar Songtexten mit komplexen Themen auseinander zu setzen. Wäre das mein hauptsächliches Anliegen, würde ich eher Bücher schreiben, als Musik zu machen.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Abgesehen von der derzeitigen Pandemie scheiden vorerst Live-Auftritte aus, weil Paul in Amerika lebt und der Rest in und um Berlin. Außerdem haben Ulla, Nils und ich Vollzeitjobs, wobei Nils ja noch in seiner Hauptband Crystal Palace spielt. Darüber hinaus bräuchten wir noch drei zusätzliche Musiker, um die komplexen Arrangements auf die Bühne zu bringen. Das ist derzeit aus zeitlichen und finanziellen Gründen für uns nicht zu realisieren.
Darum konzentrieren wir uns gerade auf das nächsten Album. Soviel sei verraten, es wird wieder ein Konzeptalbum werden...

Prog Sphere (05/2021)